Unsere LeserInnen der aktuellen „Schalom“ konnten bereits eine gekürzte Fassung des Interviews mit dem ÖVP-Mandatar Martin Engelberg lesen. Hier nun das komplette Gespräch, welches den Startschuss bildet für die parteipolitischen Vorstellungen der im Nationalrat vertretenen Parteien zu Israel.
Lieber Herr Engelberg, zunächst eine eher persönliche Frage: Was hat eigentlich einen erfolgreichen Unternehmer, Psychoanalytiker und Publizisten dazu gebracht, in die Politik zu gehen?
Nun ja, ein politischer Mensch war ich schon ein Leben lang. Ich war bereits in jüdischen Jugendorganisation sehr aktiv, ebenso bei den jüdischen Hochschülern. Ebenso war ich aktiv im Vorstand der jüdischen Gemeinde. Also war ich schon immer politisch aktiv! Neben den jüdischen Themen hat mich auch immer die internationale Politik sehr interessiert. Zudem habe ich viele Jahre eine politische Kolumne in „Die Presse“ geschrieben.
Sebastian Kurz habe ich bereits sehr früh kennengelernt, damals war er noch Staatsekretär. Wir haben viele Gespräche damals schon geführt, und ich habe ihn als sehr talentierten Politiker wahrgenommen, schon damals. Obwohl ich nie in einer politischen Partei tätig war, habe ich Kurz zugesagt, mich nun auch politisch stärker in seiner Bewegung zu engagieren. In weiterer Folge dieser Gespräche hat er nun die Frage an mich herangetragen, ob ich mir auch vorstellen könne, für ein politisches Amt zu kandidieren, zusammen mit anderen Personen aus Wissenschaft und Gesellschaft, die keinen parteipolitischen Hintergrund haben. Seitdem bin ich also dabei.
Wenn man Sie als Jude und Österreicher fragt: Was fällt Ihnen spontan als erstes zu Israel ein?
In den letzten Jahrzehnten hat sich besonders hier in Österreich, ich bin ja auch hier geboren, sehr viel geändert. Ich bin davon überzeugt, dass die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Israel noch nie so gut waren wie heute. Das ist wirklich eine ganz tolle Entwicklung, zu der ich auch froh bin dazu beitragen zu können.
Wenn ich mich an meine Jugendzeit erinnere, die damals sehr schwierigen Beziehungen zu Israel in der Ära Kreisky, die Waldheim-Affäre, es nur sehr wenige Gespräche und Konsultationen zwischen den beiden Ländern gegeben hat, die Beziehungen also sehr stark herabgestuft waren, haben wir heute ein wirkliches goldenes Zeitalter erreicht. Und ich merke ganz einfach, dass besonders auch in der ÖVP dies stärker verankert ist als je zuvor.
Auch gesellschaftlich hat sich einiges getan: Ich erinnere mich noch, dass es in meiner Jugend vielleicht drei Flüge pro Woche nach Israel gab. Jetzt gibt es circa acht Flüge am Tag, die Richtung Tel Aviv gehen. Also ein intensiver Austausch auch auf Seiten der Menschen.
Sehen Sie auch hier in Österreich eine Veränderung in den letzten drei Jahrzehnten in Bezug auf das jüdische Leben in Österreich, aber auch in Bezug auf Israel?
Ja, ganz deutlich! Nach dem Waldheim-Skandal, das ist auch schon über 35 Jahre her, hat es in Österreich eine Auseinandersetzung gegeben mit der Zeit des Nationalsozialismus, mit der Shoah, eine positive Entwicklung in der Gesellschaft, einen deutlichen Rückgang des sogenannten traditionellen Antisemitismus. Aber natürlich, auf der anderen Seite haben wir einen neuen, einen importierten Antisemitismus, besonders durch Migranten, die großteils mit einem arabischen Nationalismus erzogen wurden, der leider den Antisemitismus mit zur Basis hat. Wir müssen uns beschäftigen mit der Bedrohung des politischen Islam überhaupt für die Gesellschaft. Hier und auch in Europa sehe ich immer die jüdischen Communities als Teil der Gesellschaft, die Gemeinden sind nicht alleine betroffen, wir sind es alle. Es war immer mein Credo: Wir alle sind Teil der westlichen Gesellschaft und gemeinsam müssen wir den politischen Extremismus aus jeder Richtung bekämpfen.
Hatten sie als ÖVP-Politiker jemals Bauchschmerzen gehabt in Bezug auf ihren damaligen Koalitionspartner FPÖ, einer Partei, die ja immer noch „persona non grata“ in Israel ist, auch die jüdischen Gemeinden hier lehnen jeden Kontakt mit ihr ab?
Ja und nein! Natürlich war es nicht angenehm, es war vor allem dann nicht angenehm, wenn es aus der jüdischen Gemeinde heraus immer wieder auch Angriffe gegen mich gab. Ich selber habe immer ein klares Bild gehabt, mir braucht man nichts zu erzählen über die FPÖ!
Andererseits hatte Strache auch in den Jahren vor der Regierungsbildung positive Signale ausgesandt was Antisemitismus, was die Haltung zur Nazizeit betrifft. Auch hat er mutige Worte gefunden beim Akademikerball. Leider war es immer ein Schritt vor, ein Schritt zurück und man hat nicht das Gefühl gehabt, dass er in aller Konsequenz die Entgleisungen in der FPÖ verfolgt, was nicht erfreulich war. Im Gegensatz dazu ist es immer klar gewesen, dass ich mit Bundeskanzler Kurz in einem Team bin, und er hat nie einen Zweifel daran gelassen: Sollte es zu einer antisemitischen Äusserung eines FPÖ-Funktionärs kommen, wird er die Koalition beenden.
Aktuell kann man ja drei verschiedene Formen des Antisemitismus definieren: den traditionellen Antisemitismus, den besonders von den Linken getätigten Antizionismus als „verkleideter Antisemitismus“ sowie den religiösen Antisemitismus von Seiten des politischen Islam. Wie sehen Sie dieses Problem?
Wir werden in Österreich eine Vorreiterrolle einnehmen mit unserem Projekt der „Dokumentationsstelle politischer Islam.“ Ich sehe es wohlwollend, ein solches Institut quasi als Pendant des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands aufzubauen. Ich halte es auch für wichtig nicht zu zögern, alle rechtlichen und polizeilichen Mittel in Anspruch zu nehmen, um den politischen Islam entgegenzutreten. Da gibt es eine absolute Entschlossenheit, keine Toleranz. Auch in Österreich ist dieser Relativismus erkennbar, wo man einerseits Scharia oder andere Moralvorstellungen toleriert, alles das, da sind wir total entschlossen, dies nicht zu durchgehen zu lassen.
Ich stehe zu dem Begriff der wehrhaften Demokratie, die in Deutschland sogar in der Verfassung steht. Ich glaube, dass wir aufgerufen sind, unsere mühsam errungenen Grundwerte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Redefreiheit, dass wir all diese Dinge mit Vehemenz verteidigen müssen.
Ich möchte auch erwähnen, dass wir im Nationalrat einen von allen Parteien unterstützten Antrag gegen den BDS jetzt eingebracht haben, dieser wurde bereits im zuständigen Ausschuss einstimmig angenommen. Dieser politischer Akt ist weltweit einzigartig, so scharf wie unser Antrag ist kein anderer. Im Regierungsprogramm haben wir viele klare Statements, wie sie auch in einer vorherigen Regierung nicht da waren: Ein klares Commitment im Kampf gegen Antisemitismus, gegen Antizionismus, was auch angesichts des Koalitionspartners nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ein Bekenntnis zum jüdischen Staat, sowie – schon fast ein historisches Commitment – eine Änderung des Abstimmungsverhaltens Österreich bei den internationalen Organisationen hinsichtlich Israel.
Wie wichtig ist für die Regierung Österreichs das Thema Jugend- und Bildungsaustausch mit Israel, welche Perspektiven sehen Sie?
Bildung, Austausch, Begegnung sind wichtige Instrumente, um Antisemitismus, Unverständnis und all diesen Tendenzen zu begegnen. Österreich hat in den vergangenen Jahren umfangreiche Programme zusammen mit Israel auf den Weg gebracht, zum Beispiel das Programm „Work in Residence“ für junge Menschen aus Österreich und Israel, um im anderen Land zu leben und zu arbeiten.
Wenn man jüngere Menschen fragt, welche Assoziationen sie mit Israel haben, stellt man fest, dass sie nicht nur die Shoah und die Aufarbeitung des schwersten Kapitels der Menschheitsgeschichte mit Israel in Verbindung bringen, sondern das Land wird mit Aspekten wie Innovation, Diversität, New Economy assoziiert. Gibt es gerade hinsichtlich der Gestaltung dieses modernen Israels Konzepte seitens der ÖVP?
Das ist wirklich auch besonders hier in Österreich in den letzten zehn Jahren eine tolle Entwicklung. Israel wird nicht nur im Kontext von Krieg und historischen Konflikten wahrgenommen, sondern auch hinsichtlich seines Lifestyles, Technologie, seines modernen und jungen Lebens. Tel Aviv steht für ein junges modernes, diversifiziertes Leben mit einer unglaublich spannenden Kulturszene.
Man muss auch sagen, dass der neue Botschafter Israels hier in Österreich einen Schwerpunkt natürlich auf dem politischen Aspekt hat, aber auch auf der Ebene von Austausch, Kultur und nicht zuletzt Wirtschaft die Beziehungen mit Österreich intensivieren möchte.
Wie sehen Sie die Zusammenarbeit von Nationalrat und Knesset? Ich hatte das Gefühl, dass zumindest auf österreichischer Seite die Arbeit der Österreichisch-Israelischen Parlamentariergruppe etwas eingeschlafen ist.
Dies hing natürlich mit der vorherigen Regierung zusammen und der Haltung der israelischen Regierung, mit der FPÖ keinen Kontakt zu haben. Dies hat sich quasi bis ins letzte Glied durchgesetzt, also auch hinsichtlich der Parlamentariergruppe.
Ich gehe davon aus, dass nach Konstituierung der neuen Freundesgesellschaft neue Impulse auch hier gemacht werden. Michaela Steinacker ist eine sehr gute Obfrau dieses Gremiums, die auch in Zukunft alles daransetzen wird, unsere bilateralen Beziehungen auch auf Parlamentsebene weiter auszubauen.
Der neue Friedensplan des amerikanischen Präsidenten Donald Trump hat international Diskussionen ausgelöst, gerade hinsichtlich der sogenannten Zweistaatenlösung. Wie sieht die ÖVP den Stand der Dinge?
Mit Trumps Plan ist es das erste Mal, dass sich Israel zu einem Plan bekennt, der eine Zweistaatenlösung vorsieht. Ich glaube letztlich, dass auch dies die letzte Chance für die Palästinenser ist für eine Zweistaatenlösung. Man sieht ja, dass die sunnitisch-arabischen Staaten die Basis dieses Plans, der ja die Realität vor Ort wiedergibt, sehr wohl anerkennen, drei arabische Botschafter waren ja auch anwesend bei der Vorstellung des Plans in Washington. Ich hätte mir gewünscht, dass die Palästinenser die Vorschläge positiver aufnehmen würden, sie als Chance sehen, jetzt endlich zu einer Zweistaatenlösung zu kommen.
Auf EU-Ebene sollte man aufpassen, nicht von den arabischen Staaten überholt zu werden hinsichtlich der pragmatischen Haltung zu Trumps Vorschlägen. Wenn ich die Reaktion des neuen EU-Außenbeauftragten höre, muss ich sagen, dass diese weniger konstruktiv klingt als diejenige vieler arabischer Länder. Hier muss Brüssel wirklich aufpassen, dass es als globaler Player nicht völlig ins Abseits gerät.
Wir haben alle nichts davon, wenn wir Lösungen in diesem Konflikt zelebrieren, die von vorgestern sind. Das nenne ich bloße Folklore, es bringt keine Ergebnisse.
Herr Engelberg, ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch!